Nach dem meteorologischen Herbstanfang am 1. September beginnen nun langsam auch die ersten Bäume mit der Umstellung auf die kühlere Jahreszeit. Die typischen, leuchtenden Herbstfarben werden durch die Farbstoffe der Blätter, hauptsächlich das rote Anthocyan und das gelbe Karotin, verursacht.
Auffällig ist jedoch, dass die Kastanien in den Innenstädten jährlich bereits in den Sommermonaten eine verfrühte dunkelbraune Färbung der Blätter aufzeigen und mit dem Laubabwurf beginnen. Die Kastanie zählt in Deutschland zu den beliebtesten Bäumen, denn sie ist ein wahres Multitalent: ihre glänzend-braunen, glatten Früchte lassen nicht nur Kinderherzen höher schlagen, sondern sind auch bei erwachsenen Sammlern beliebt. Im Frühling beeindruckt der Baum mit seinen prächtigen weißen oder rosafarbenen Blüten und schützt im Sommer mit seiner dichten Krone vor Regen und Sonne. Umso bedauerlicher ist es, dass die Kastanie in unseren Städten immer seltener wird.
Denn seit einigen Jahren setzen den Bäumen gleich zwei Feinde zu: Einerseits die sogenannte Kastanienminiermotte, ein kleiner Schmetterling, der aus dem Balkan eingewandert ist und sich hierzulande ohne natürliche Feinde ungehemmt vermehren konnte.
Dieses Insekt, welches in erster Linie Rosskastanien befällt, wurde in Deutschland erstmals 1989 in Berlin nachgewiesen. Der Schädling ist für die Kastanien jedoch nicht lebensbedrohlich: „An ihr ist noch keine Kastanie gestorben“, sagt Stefanie Hahn vom Julius Kühn-Institut (JKI), das Kulturpflanzen in Deutschland erforscht gegenüber Spiegel Online. Die Larven der Miniermotte fressen die Blätter, wodurch es zu deren gelb-braun-geflecktem Aussehen kommt. Gleichzeitig wird die Photosynthese verringert und die Vegetationszeit verkürzt. Die geschwächten Bäume sind nun anfälliger gegen andere Schädlinge wie Pilze und Bakterien.

Die Mindermotte hinterlässt sichtbare Schäden and en Blättern der Kastanien (Quelle: Wikipedia)
Die Miniermotte hinterlässt sichtbare Schäden an den Blättern der Kastanien (Quelle: Wikipedia)

Hinzu kommt nun ein weitaus gefährlicherer, tückischer Erreger, der ganz Baumalleen befällt: ein Bakterium namens Pseudomonas syringae.
Der Erreger wurde in Deutschland erstmals 2007 entdeckt. In Indien wurde das Bakterium in den 1970er Jahren auf der Indischen Rosskastanie nachgewiesen. Von hier aus breitete es sich bis nach England und Holland aus und ist mittlerweile in ganz Mitteleuropa heimisch. Während der Erreger an der Indischen Rosskastanie lediglich Blattschäden verursacht, werden bei den heimischen Rosskastanien die Baumrinden angegriffen. Dadurch bildet sich ein rostbrauner bis schwarzer Ausfluss und die Rinde stirbt nach und nach ab. Infolgedessen wird die Versorgung der Wurzeln beeinträchtigt. Unter diesen geschwächten Umständen kommt es zum Befall durch verschiedene Pilzarten, welcher die Bäume letztendlich absterben lässt.
Laut forstpraxis.de sind bundesweit bereits die Hälfte aller Kastanien befallen, was an den „blutenden“ Stellen am Stamm, einer schütteren, teilweise abgestorbenen Krone und der dunkelbraunen bis schwarzen Verfärbung der Rinde zu erkennen ist.
Das Institut für Baumpflege spricht mittlerweile von einem „Rosskastanien-Sterben“ und äußert die Befürchtung, dass ein Großteil der Rosskastanien in den nächsten Jahren absterben wird. Bislang konnte kein wirksames Mittel gegen Pseudomonas entwickelt werden.

So kann man aktuell davon ausgehen, dass sich das gewohnte Bild unserer Stadtbäume in den kommenden Jahren verändern wird. Bereits jetzt pflanzen immer weniger Städte neue Kastanien an, da ein Verlauf der Krankheit nicht vorhergesagt werden kann. Auch im Hinblick auf die klimatische Veränderungen, mit Tendenz zu heißeren, trockeneren Sommern, ist damit zu rechnen, dass zukünftig eher wärmelieben, mediterrane Baumarten angepflanzt werden.