Oft leuchten sie gelb auf den Rinden einzelner Bäume, häufig sind sie eher unscheinbar: Flechten.

Als wahre Überlebenskünstler sind sie weder Tier noch Pflanze, sondern „Doppelwesen“ aus Algen und Pilzen. Somit bestehen sie aus zwei verschiedenen Organismen. Zahlreiche Schlauchpilze können nur in enger Verbindung mit lebenden Grün- oder Blaualgen existieren. Dabei leben sie in einer symbiotischen, somit für beide Arten nützlichen Lebensgemeinschaft. Der Pilz erhält von der Alge, die Fotosynthese betreibt, energiereiche Kohlenhydrate und im Gegenzug liefert der Pilz Wasser und Mineralsalze. Zudem schützt sie der Pilz durch Pigmentbildung vor starker Sonneneinstrahlung. Dadurch konnten die weltweit rund 25.000 Flechtenarten die rauesten Standorte besiedeln. Fast jede alte Mauer und Hauswand, die nicht regelmäßig gereinigt wird, wird nach einigen Jahren von Flechten besiedelt. Auch auf Rinden älterer freistehender Bäume kommen sie vor, seltener sind erdbewohnende Arten. Flechten wachsen im Wald sehr langsam, wodurch sie nur selten der Konkurrenz durch Pflanzen und Moosen gewachsen sind.

Aber welchen Stellenwert haben Flechten im Wald?

Flechten tragen einen ganz wesentlichen Teil zur biologischen Vielfalt von Waldökosystemen bei, indem sie die Bedingungen für andere Organismen verbessern. Sie dienen als eigener Lebensraum für Tiere, besiedeln Steinhabitate als Pionierarten, schützen Bäume vor Bakterien und Pilzen, bringen Wasser und Nährstoffe aus der Atmosphäre in das Ökosystem ein und dienen als Nahrungsquelle sowie Nistmaterial. Durch ihre Empfindlichkeit gegenüber ökologischen Veränderungen, eignen sie sich zudem als natürlicher Anzeiger für den Zustand unserer Wälder.

Es ist wichtig zu wissen, dass die meisten Flechtenarten relativ spezifisch an bestimmte Baumarten angepasst sind. Dies liegt darin begründet, dass sie die verschiedenen chemischen und physikalischen Eigenschaften des jeweiligen Substrats bevorzugen.  Der Verlust einer Baumart führt somit auch zum Absterben von Flechtenarten.

Schon heute sind durch die Luftverschmutzung ehemals weit verbreitete Rindenflechten seltener geworden und komplett aus den Ökosystemen verschwunden. Mehr als die Hälfte der heimischen Flechten werden laut Roter Liste als gefährdet eingestuft. Flechten benötigen daher eine stärkere Aufmerksamkeit als ihnen bisher zuteilwird.