Das alte Jahr neigt sich dem Ende und 2018 steht vor der Tür. Bereits am 26. Oktober 2017 wurde mit der Ess-Kastanie (Castanea sativa) der „Baum des Jahres 2018“ ausgerufen. Die Esskastanie ist der 30. Baum des Jahres, die Aktion gibt es seit 1989.
Diese Entscheidung der „Baum des Jahres Stiftung“ mag überraschen, denn die Ess-Kastanie sticht einem in Deutschlands Wäldern nicht unbedingt ins Auge. Als Parkbaum findet man sie bundesweit vor allem in Parkanlagen und Gärten, sowie in Weinbaugebieten wie der Pfalz.
„Die Esskastanie hat eine recht junge Geschichte in unseren Breiten“, erklärt Deutschlands Baumkönigin Anne Köhler bei der traditionellen Pflanzung des Jahresbaums in Berlin. Sie gelte zwar nicht als heimische Baumart, gehöre aber zumindest in Südwestdeutschland längst in die Kulturlandschaft. Wo sie wächst überrascht sie mit praktischer und kulinarischer Vielseitigkeit und nicht zuletzt mit ihrer schönen Blütenpracht.
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Ess-Kastanien können bis zu 30 Meter hoch und mehrere Hundert Jahre alt werden. Im Gegensatz zur bekannteren Rosskastanie, die zu den Seifenbaumgewächsen gehört, ist die Baumart eng mit Buchen und Eichen verwandt.
Wie der Baum nach Deutschland kam, ist nicht genau überliefert. Bereits die Griechen pflanzten den Baum im Mittelmeerraum an, in der Bronzezeit hatten sich die Anbaugebiete bis nach Südfrankreich ausgebreitet. Doch erst die Römer brachten die Ess-Kastanie vor rund 2000 Jahren über die Alpen nach Germanien und erkannten die hier recht günstigen botanischen Voraussetzungen. Sie etablierten die Ess-Kastanie vor allem entlang von Rhein, Nahe, Mosel und Saar. Für den Weinbau ein Glücksfall, denn das gegen Verrottung erstaunlich resistente Kastanienholz bot das ideale Material für die Fertigung von Rebstöcken. Auch für den Hausbau, die Herstellung von Fassdauben oder als Brennholz war das Holz brauchbar.
Noch bedeutsamer aber wurden die Früchte der Ess-Kastanie, die zu den Nüssen zählen, für die Ernährung der Bevölkerung und als Vorratsreserve. Mit ihrem hohen Stärkegehalt, geringem Fettanteil und süßlichem Geschmack, waren die Früchte nach Missernten oft eine lebensrettende Mahlzeit. Die getrockneten Früchte lassen sich zudem zu Mehl mahlen und stellen eine gute, glutenfreie Weizenalternative dar. Somit ist das Ess-Kastanienmehl auch für Allergiker geeignet und könnte in Zeiten zunehmender Lebensmittelunverträglichkeiten eine Art Renaissance erleben.
Auch wenn die Baumart in unseren Gefilden nicht heimisch ist, kommt sie gut mit den klimatischen Bedingungen der mittleren Breiten zurecht. Eine wärmeresistente und anpassungsfähige Baumart ist grade in Zeiten des Klimawandels von hoher Bedeutung, sodass aktuell über die Eignung der Ess-Kastanie als „Klimaretter“ und Zukunftsbaumart diskutiert wird. Bereits seit einigen Jahren laufen die Forschungen auf Hochtouren, um zu erfahren, unter welchen Bedingungen die Ess-Kastanie auch in Wäldern qualitativ hochwertiges Holz für langlebige Bau- und Möbelholzprodukte liefern könnte.