Unterwasserwälder

Kostbare Edelhölzer ruhen weltweit in Stauseen – ein Milliardenwert, der tauchende Holzfäller anlockt!

Einen wahren Schatz ließen die Erbauer des Panamakanals einfach in den Fluten versinken. Zwischen 1907 und 1913 stauten sie den Gatúnsee auf, um Ozeanriesen die Passage zwischen Atlantik und Pazifik zu ermöglichen. Dichter Regenwald wurde vom Wasser überschwemmt. Bäume wurden nur gefällt, wenn sie die spätere Fahrrinne gestört hätten. Übrig blieben Edelhölzer im heutigen Schätzwert von mehreren Hundert Millionen US-Dollar. Jetzt wird dieser Schatz gehoben.

Die Bäume in der Tiefe sind abgestorben, sie stehen aber noch, und ihr Holz ist bestens erhalten. »Urwaldriesen mit einem Durchmesser von drei Metern sind dabei«, sagt Eric Bittner aus Ahrensburg in Schleswig-Holstein. Seine Firma Eric EH Bittner Überseehandel (EEHB) importiert Edelhölzer mit Namen wie Cumarú, Massaranduba oder Ipé (»Eisenholz«) nach Europa: allesamt extrem haltbar, mit einem geschätzten Kubikmeterpreis von eintausend US-Dollar.

Die Holzindustrie stellt den Einschlag in der Tiefe als ökologische Alternative dar, gar als Beitrag zum Klimaschutz. Brief und Siegel blieb dieser Behauptung aber bislang verwehrt, Wissenschaftler sind skeptisch. Doch schon locken wertvolle Unterwasserwälder weltweit die tauchenden Holzfäller an.

Allein nahe der Fahrrinne des Panamakanals sollen rund eine Million Kubikmeter Tropenholz von dreißig verschiedenen Baumarten auf dem Kanalgrund stehen. Weil immer breitere Schiffe mit mehr Tiefgang durch das Wasser rauschen, gibt die Kanalbehörde Autoridad del Canal de Panamá die toten Urwaldriesen nun zur Rodung frei. Aus dem Verkauf von Lizenzen erhofft sie sich einen saftigen Bonus für die teure Kanalerweiterung.

Unter Wasser einen Baum zu fällen ist Knochenarbeit. Mit einer hydraulischen Kettensäge müssen die Taucher den Stamm abtrennen. Danach befestigen sie an den Stämmen leere Plastiktonnen als Auftriebskörper, die das tote Holz an die Oberfläche schweben lassen, und schließlich zieht eine Seilwinde die Regenwaldgiganten ans Ufer. »Hundertjährige sind am besten«, sagt Bittner. Im sanft strömenden Wasser haben sich über die Jahrzehnte Spannungen im Gewebe abgebaut, es hat Gerbsäure und Harze ausgewaschen. Nach der Bergung wird das Holz zwei Monate lang an der Luft getrocknet, zu Planken gesägt und dann, in Containern verpackt, exportiert. »Die erste Ladung ging in den deutschen Fensterbau«, erzählt Bittner.

Nicht nur die Deutschen lieben Tropenholz. Rund fünfzig Millionen Kubikmeter Rund- und Schnittholz, Möbel und Accessoires werden jährlich von Japan, China und den USA importiert. Während die Lust auf Edelholz in den Industrieländern wächst, verschwinden die Regenwälder. Knapp ein Fünftel der europäischen Holzeinfuhren stammt aus illegalem Einschlag, berichtet der World Wide Fund for Nature. Holzeinschlag in Stauseen hingegen soll das Ökosystem Regenwald nicht schädigen. »Jeder Stamm, den wir ernten, könnte einen lebenden Baum verschonen«, versichert Bittner. Kein CO₂-Speicher verschwinde, kein Waldbewohner verliere den Lebensraum.

Doch bisher kann er das begehrte Umweltzertifikat nicht vorweisen. Der internationale Waldrat Forest Stewardship Council mit seinem FSC-Gütesiegel für sozial- und umweltverträgliche Waldwirtschaft tut sich beim Unterwasserholz schwer. Schließlich könne hier keine Waldbewirtschaftung mehr stattfinden. Es mangele an »waldbaulichen Zielen«, bemängelt Erika Müller von der FSC-Arbeitsgruppe Deutschland und stellt fest: »Auch eine nachträgliche Zertifizierung des unter Wasser stehenden Waldes ist nicht möglich.«

Tatsächlich aber »verwest das Holz langsam und belastet den See und die Atmosphäre«, sagt Michael Köhl, Professor am Zentrum für Holzwirtschaft der Universität Hamburg. 52000 Stauseen gibt es weltweit. Sie erzeugen rund vier Prozent der globalen Treibhausgase. Der brasilianische Tucuruí-Damm etwa sei »praktisch eine Methanfabrik«, sagt der Klimaexperte Philip M. Fearnside vom National Institute for Amazon Research im brasilianischen Manaus. Die panamaische Holzfirma Ardan International, Lizenznehmerin der Kanalbehörde, rechnet vor: Durch die Nutzung des Unterwasserwaldes im Panamakanal ließen sich pro Jahr fast eine Million Tonnen Kohlendioxid einsparen. 185 Millionen US-Dollar könne Panama in zwanzig Jahren mit dem Verkauf entsprechender CO₂-Emissionsrechte einnehmen. Eine zweifelhafte Rechnung. »Tropenholz zerfällt sehr langsam«, meint Patrick McCully, Direktor der International Rivers Organization. »Viele andere organische Stoffe wie Blattwerk und Pflanzen machen mehr aus.« Die aber bleiben im See.

Die Unterwasser-Holzfäller betonen indes: Immerhin könne die Ernte von Stauseeholz dazu beitragen, über der Wasseroberfläche Kahlschlag und illegalen Holzhandel zu vermindern. 500 Millionen Kubikmeter Holz könnten weltweit aus Stauseen geborgen werden, schätzt die kanadische Firma Triton Logging. Wo genau, will Sprecher Jim Hayhurst allerdings nicht preisgeben. »Wir sind Goldsucher«, sagt er. Es gehe immer um die besten Plätze.

Der Edelholz-Goldrausch – ob nun ökologisch zuträglich oder nicht – beflügelt Fantasie und Erfindergeist. So hat Triton einen Tauchroboter namens Sawfish (Sägefisch) entwickelt, der automatisch Stämme ortet, fällt und an die Oberfläche bringt. Im malaysischen Lake Kenyir, dem größten Stausee Südostasiens, tauchte der Roboterfisch vergangenes Jahr nach Tropenholz – und biss sich daran die Zähne aus. Konkurrenzgeräten aus Frankreich erging es ebenso. Die malaysische Partnerfirma Golden Pharos sucht nun nach neuer Technik, Triton ist aus dem Projekt raus. Zwar birgt Sawfish in Kanada bereits versunkene Pinien, Kiefern und Fichten. Deren Stämme aber sind relativ weich, und ihr Marktwert ist nicht mit dem der Riesen im Kenyir- oder Gatúnsee vergleichbar. Wer diese Schätze bergen will, benötigt weiterhin Tauchermaske, Flossen und Kettensäge.