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Monthly Archives: September 2015

Waldspaziergänge demnächst auf Rezept?

 

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Eintauchen ins Waldbad

In Japan nennt sich der neueste Therapie-Hit shinrin yoku oder forest bathing, zu Deutsch „Waldbaden“. Neueste Forschungen über die positiven Effekte von einem Spaziergang im Wald haben die Japaner davon überzeugt, dass Wälder Therapiezentren werden sollten. In sog. Outdoor-Kliniken kann man sich nach der üblichen Voruntersuchung zum „Baden“ in den Wald begeben. Damit ist natürlich kein Wasserbad gemeint, sondern das Eintauchen in die Umgebung „Wald“.

Wälder gegen Krebs

Im Jahr 2004 wurden die wohltuenden Auswirkungen des Waldbadens in einem medizinischen Experiment  wissenschaftlich konkretisiert und bewiesen. Gemeinschaftlich hatten die japanische Behörde für Forstwirtschaft, das Forschungsinstitut für Wald und Waldprodukte und das Zentrum für Medizin Nippon eine Studie in die Wege geleitet, mit der die physiologischen Effekte des Waldbadens näher erforscht werden sollten.

Dr. Qing Li, Assistenzprofessor am Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit im Zentrum für Medizin Nippon, fasste begeistert die Resultate dieser Untersuchung zusammen. Spazierengehen im Wald fördere sowohl die Entstehung von drei verschiedenen Anti-Krebs-Proteinen als auch die Bildung ungewöhnlich hoher Mengen natürlicher Killerzellen (NK-Zellen), die ebenfalls dafür bekannt sind, Krebszellen aufzuspüren und diese zu attackieren.

Dr. Li erklärte, dass Pflanzen bestimmte Stoffe – sog. Phytonzide(1) – bildeten, mit deren Hilfe sie sich selbst vor Bakterien und Insekten schützten. Diese Phytonzide würden an die Luft abgegeben. Wenn nun Menschen in der Natur und insbesondere im Wald spazieren gingen und diese Phytonzide einatmeten, dann führte das zu einer deutlichen Vermehrung der NK-Zellen im Körper.

Dr. Li beobachtete zwölf Männer im Alter von 37 bis 55 Jahren, die unter einer starken Stresssituation litten und zum Spazierengehen in den Wald geschickt wurden. Bereits am ersten Tag hatte sich die Aktivität ihrer NK-Zellen um 26,5 Prozent erhöht, am zweiten Tag schon um sagenhafte 52,6 Prozent.

Wälder senken Blutdruck und Puls

In einer weiteren Studie mit 280 Teilnehmern schickte man die Hälfte für einige Stunden in den Wald und die andere Hälfte in die Stadt. Anschließend wurden beide Gruppen untersucht und was stellte man fest? Die Waldmenschen erfreuten sich im Gegensatz zu den Stadtmenschen eines auffallend niedrigen Blutdruckes, eines niedrigen Stresshormonspiegels und eines niedrigen Pulses.

Der bloße Anblick eines Waldes beruhigt und reduziert Stresshormone

Im Wald begegnet man natürlich nicht nur den Phytonziden, die ja eher unbewusst aufgenommen werden. Sobald man den Wald betritt und in das satte Grün der Bäume und Wiesen eintaucht, duftet es nach Blumen, Kräutern und dem feuchten Waldboden. Das Laub raschelt unter den Füßen, Vögel singen, Bäche plätschern, Flüsse rauschen und die Sonne schickt einzelne Strahlen durch das dichte Blätterwerk. Allein das Licht-und-Schattenspiel der Sonne auf den Blättern habe eine ungemein beruhigende Wirkung, so Yoshifumi Miyazaki, der Direktor des Zentrums für Umwelt, Gesundheit und Agrarwissenschaft von der Universität Chiba.

Als Japans führender Wissenschaftler im Bereich der Waldmedizin fand Miyazaki heraus, dass der Stresshormonpegel bei Menschen, die einen Wald nur anschauten, bereits um 13,4 Prozent niedriger war als zuvor. „Wir wurden so geschaffen, dass wir in eine natürliche Umgebung passen“, fasste Miyazaki seine Erkenntnisse zusammen. „Wenn wir uns inmitten der Natur aufhalten, werden unsere Körper wieder zu dem, was sie einmal waren.“

Medizinische Untersuchung unter Bäumen

Der Natürliche Erholungswald Akazawa (Akazawa Natural Recreation Forest) in Agematsu(2), wo das Konzept des Waldbades bereits im Jahre 1982 entstand, wurde 2006 offiziell als Wald-Therapie-Zentrum anerkannt. Ein Wald-Therapie-Zentrum bietet typischerweise Spazierwege, Gesundheitsprogramme und geführte Wanderungen. Wer möchte, kann sich auch direkt unter den Bäumen kostenfrei untersuchen lassen.

Selbstverständlich brauchen wir nicht extra auf die Einrichtung von speziellen Wald-Therapie-Zentren zu warten, um all die wundervollen Eindrücke und Auswirkungen der Natur zu genießen. Es gibt praktisch keinen plausiblen Grund, jetzt – nach diesem Text – noch länger vor dem Bildschirm zu sitzen. Ich jedenfalls bin schon weg – auf dem Weg ins nächste Waldbad…;-)

Wasserwerk Wald

Wasser ist unser wichtigstes Lebensmittel. Wir brauchen sauberes Wasser wie die Luft zum Atmen. In Deutschland verbraucht jeder Mensch jährlich rund 50 000 Liter Wasser. Etwa 70 Prozent des bundesweit gewonnenen Trinkwassers stammen aus Grund- und Quellenwasser, das in Wirtschaftswäldern, also forstlich genutzten Wäldern, gewonnen wird. Das Ökosystem Wald ist damit der größte Süßwasserspeicher in Deutschland.

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Der Wald reinigt und filtert die Niederschläge. Am meisten Grundwasser und gesundes Trinkwasser entstehen in Mischwäldern mit einem hohen Anteil an Laubbäumen. Der Waldboden kann – wie ein Schwamm – das Wasser aufnehmen und speichern. In den oberen 10 cm des Waldbodens, also der humusreichen Schicht, werden bis zu 50 Liter Niederschlagswasser pro Quadratmeter gespeichert.
Pilze und zahlreiche Mikroorganismen im Waldboden sorgen für die „chemische“ Aufbereitung des Wassers, sodass das Grundwasser aus dem Wald meist ohne kostspielige Reinigung als Trinkwasser genutzt werden kann. Nicht ohne Grund ist etwa ein Drittel der deutschen Wälder als Wasserschutzgebiete ausgewiesen.

Die deutsche Forstwirtschaft fördert das „Wasserwerk Wald“ durch

  • den Verzicht auf Kahlschläge
  • einen weitgehender Verzicht auf Chemie im Wald
  • den Einsatz von bodenschonenden Arbeitsverfahren und Maschinen
  • Schutz von Gewässern, Quellbereichen und Mooren in Wäldern
  • den Erhalt großer zusammenhängender Waldflächen
  • Aufforstung und Naturverjüngung
  • die Entwicklung von naturnahen Mischwäldern.

Das Trinkwasser aus dem Wasserhahn könnten die Wasserversorger ohne die Wasser- und Speicherfunktionen des Waldes nicht in der gewünschten Menge und Qualität anbieten. Ohne Wald gäbe es keine Wassernachhaltigkeit. Ohne seine unter anderem an der Wasserqualität und Speicherfunktion ausgerichtete nachhaltige Bewirtschaftung würde es auch in Deutschland Wasserknappheit geben, wie es in anderen, spärlicher bewaldeten Regionen Südeuropas schon heute der Fall ist.

An den Gewinnen, die aus dem Wirtschaftsgut Wasser generiert werden, sind die Waldbesitzer in der Regel nicht beteiligt. Im Gegenteil: Die aus der Ausweisung von Wasserschutzgebieten resultierenden Auflagen müssen sie tragen. Hinzu kommen teilweise noch hohe Beiträge der Wasser- und Bodenverbände, die auch die Waldbesitzer zu zahlen haben, obwohl sie selbst die Grundlage für das Wirtschaften dieser Verbände legen.

Das Prinzip der Nachhaltigkeit

Was bedeutet Nachhaltigkeit? Der Begriff Nachhaltigkeit beschreibt das Konzept, eine Ressource nur so zu nutzen, dass sie nicht final verbraucht, vernichtet oder dauerhaft unbrauchbar wird.

Waldbewirtschaftung

Nachhaltigkeit bedeutet Regulierung, kein freies Spiel vor allem von Marktkräften. Nachhaltigkeit ist ein Nutzungskonzept, dessen Kern auf Selbstbeschränkung, Verzicht und Selbstdisziplin beruht. Es basiert auf den Leistungen und Nutzungsverzichten früherer Generationen und verbindet die Interessen der heutigen Nutzer mit dem Wohl künftiger Generationen. Nachhaltigkeit beschränkt sich auf eine schonende, ressourcenerhaltende Nutzung, sie verzichtet bewusst auf eine rücksichtslose Ausbeutung einer Ressource. Nachhaltigkeit beinhaltet daher auch Selbstdisziplin bei der Umsetzung des technisch und wirtschaftlichen Machbaren.

Wer hat das Konzept der Nachhaltigkeit erfunden?

Wer zuerst die Idee hatte, wissen wir nicht. Vermutlich hat sie sich über viele Generationen hinweg aus der Beobachtung entwickelt, dass eine Ressource nur so lange genutzt werden kann, bis sie verbraucht, erschöpft oder vernichtet ist. Die Entwicklung der Nachhaltigkeitsidee ist untrennbar damit verbunden, wie der Mensch seine Umwelt und die darin vorkommenden Ressourcen nutzt. Der Impuls, über Nachhaltigkeit nachzudenken, entstand erst, als benötigte Ressourcen infolge von Übernutzung knapp wurden.

Vielerorts im spätmittelalterlichen Deutschland war der Wald eine solche übernutzte Ressource. Denn Holz war schon immer ein überlebenswichtiger Rohstoff. Holz diente nicht nur als Bau- und Werkmaterial, sondern auch ganz wesentlich zur Energiegewinnung. Holz war unverzichtbar für alle Lebensbereiche, im Kleinen wie im Großen, für das häusliche Kochen und Backen ebenso wie für die ersten vorindustriellen Großverbraucher wie Städte, Erzschmelzereien, Glashütten, Salinen, Ziegeleien oder Brauereien. Dafür wurde Holz im großen Stil geschlagen und viele Wälder verwüstet. Die aufgelichteten Wälder wurden außerdem oft auch als Viehweide genutzt. Ziegen, Schafe, Schweine und Rinder lieben die Blätter und zarten Triebe junger Bäume. Wo zu viele Tiere fraßen, hatte der Wald keine Chance nachzuwachsen. Versuche, verwüstete Wälder wieder herzustellen, waren mühsam und nicht immer so erfolgreich wie die 1368 begonnenen Aufforstungsversuche des Handelsherrn Peter Stromer im Nürnberger Reichswald.

Einer der frühesten erhaltenen schriftlichen Nachweise der Nachhaltigkeitsidee findet sich in der kursächsischen Forstordnung von 1560. Sie regelte den Umgang mit dem Wald als Lieferant für den damals wie heute begehrten und knappen Rohstoff Holz. Im Kern gab sie vor, dass nicht mehr Holz genutzt werden dürfe, als auf Dauer nachwächst. Der Begriff „Nachhaltigkeit“ wurde darin aber noch nicht verwendet. Aber auch in anderen Regionen wurden vergleichbare Regelungen entwickelt, um die Wälder vor Übernutzung und Degradierung zu schützen.

Aber erst 1713 prägte der sächsische Bergmann Hans Carl von Carlowitz den Begriff „Nachhaltigkeit“. In seinem Buch „Sylvicultura oeconomica“ oder „haußwirthliche Nachricht und Naturmäßige Anweisung zur Wilden Baum-Zucht“ fasste er das forstliche Wissen seiner Zeit zusammen, erweiterte es durch eigene Erfahrungen und formulierte erstmalig das Konzept einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung. Sein Buch wurde 1713 auf der Ostermesse in Leipzig vorgestellt; 2013 feierte es sein 300. Jubiläum.

Seitdem wurde das Konzept der forstlichen Nachhaltigkeit stetig weiterentwickelt. Heute umfasst es auch das Streben nach einer ausgeglichenen, dauerhaften Gewährleistung sämtlicher Leistungen und Funktionen des Waldes.

Unsere Wälder

Deutschland ist mit 226 Einwohner/km² eines der am dichtesten besiedelten Länder Europas. Dennoch ist rund ein Drittel unseres Landes (11,4 Millionen Hektar) mit Wald bedeckt. Damit ist Deutschland eines der waldreichsten Länder in der Europäischen Union.

Waldfibel

Regional schwankt der Bewaldungsanteil sehr stark, zum Beispiel zwischen 3,3 Prozent im Landkreis Dithmarschen (Schleswig-Holstein) und 63 Prozent im Landkreis Regen (Bayern).

In den letzten zehn Jahren blieb die Waldfläche in Deutschland konstant. Mit 76 Prozent – fünf Prozent mehr als noch 2002 – wurde wieder ein beachtlicher Laub- und Mischwaldanteil erreicht. Auch stieg der Anteil der über 80-jährigen Bestände auf ein Drittel der Waldfläche an. Die Holzvorräte in Deutschland liegen aktuell bei 336 Kubikmetern je Hektar; das entspricht circa 3,7 Milliarden Kubikmetern Gesamtvorrat.

Im europäischen Vergleich hat Deutschland damit einen führenden Platz. Dies alles ist das Ergebnis der Bemühungen, nach den großen Waldverwüstungen des 19. Jahrhunderts und den Kahlschlägen infolge der beiden Weltkriege wieder ertragreiche und ökologisch wertvolle Wälder aufzubauen. Heute sind 70 Prozent der deutschen Waldfläche freiwillig gemäß Nachhaltigkeitskriterien privater und unabhängig kontrollierter Zertifizierungssysteme (FSC/PEFC) zertifiziert.

Die häufigsten Bäume im deutschen Wald sind die Fichte mit 25 Prozent (jeweils der Waldfläche), die Kiefer mit 22 Prozent und die Buche mit 15 Prozent. Es folgen die Eiche mit 10 Prozent, die Birke mit circa 4,5 Prozent und die Lärche mit noch circa 2,8 Prozent Anteil an der Waldfläche.

Der Wald in Deutschland besteht insgesamt aus über 90 Milliarden Bäumen, davon rund 7,6 Milliarden Bäume ab sieben Zentimeter Brusthöhendurchmesser. Jeder einzelne davon ist ein einzigartiges Wunderwerk der Natur. Der Baum produziert seine Biomasse, wie alle grünen Pflanzen, aus Kohlendioxid (CO2), Wasser und Sonnenenergie. Tagsüber nehmen die Blätter das Kohlendioxid aus der Luft auf und erzeugen daraus mit Hilfe des Chlorophylls Traubenzucker, der als Energiequelle und Baustoff für weitere chemische Prozesse benötigt wird. Durch die Verkettung der Zuckermoleküle entsteht beispielsweise Zellulose, der Hauptbestandteil von Holz. Als Abfallprodukt wird dabei noch Sauerstoff (O2) freigesetzt.

Ein 100-jähriger Eichenwald, bei dem ein Baum circa 130.000 Blätter als biologische Solarzellen hat, filtert jährlich circa 11.000 Kilogramm Kohlendioxid pro Hektar aus der Luft. Solch ein Wald bindet jährlich rund 3.000 Kilogramm Kohlenstoff pro Hektar zu organischen Substanzen wie Holz, Blättern und Rinde. Durch diesen Vorgang (die Photosynthese) werden bis zu 8.000 Kilogramm Sauerstoff freigesetzt; dies entspricht dem Jahresbedarf von 17 Menschen.

Gleichzeitig arbeitet der Baum wie eine Klimaanlage. Die Wurzeln der Eiche saugen jährlich etwa 40.000 Liter Wasser aus dem Boden, das über die Blätter wieder verdunstet. Die dabei entstehende Verdunstungskälte sorgt dafür, dass es im Wald selbst an heißen Sommertagen angenehm kühl ist. Durch den Niederschlag erhält der Boden das Wasser im Kreislaufsystem wieder zurück. Zudem filtern die Blätter im Jahr etwa eine Tonne Staub und Verunreinigungen aus der Luft.